Samstag, 18. April 2015

Apollo von Belvedere und das Ideal der antiken Schönheit. Texte von Goethe, Johann Joachim Winkelmann, Johann Caspar Lavater und Carl Huter.



Apollo von Belvedere, Skizze aus Lavaters Physiognomische Fragmente
Goethe hatte die Büste des Apollo von Belvedere in seinem Treppenhaus.
Er schreibt, dass sein Anblick ihn aus der Wirklichkeit herausgerückt habe.
Die Werke der Antike verkörperten für ihn Vollkommenheit, Harmonie und Humanität.
Überhaupt war die Betrachtung antiker Kunstwerke für den Augenmenschen Goethe der Weg zur Welterkenntnis.
1771 sah Goethe zum ersten mal eine Kopie des Apollo in Mannheim, Er meinte dazu:
„Mein ganzes ich ist erschüttert, das können Sie denken, Mann und es fibrirt noch viel zu sehr, als daß meine Feder stet zeichnen könnte. Apollo von Belvedere, warum zeigst du dich uns in deiner Nacktheit, dass wir uns der unsrigen schämen müssen?“

Natürlich steht die Begeisterung Goethes in der Nachfolge Winckelmanns, der dazu schrieb:

„Die Statue des Apollo ist das höchste Ideal der Kunst unter allen Werken des Altertums, welche der Zerstörung entgangen sind. Der Künstler derselben hat dieses Werk gänzlich auf das Ideal gebaut, und er hat nur eben so viel von der Materie dazu genommen, als nötig war, seine Absicht auszuführen und sichtbar zu machen. Dieser Apollo übertrifft alle andere Bilder desselben so weit als der Apollo des Homerus den, welchen die folgenden Dichter malen. Über die Menschheit erhaben ist sein Gewächs, und sein Stand zeugt von der ihn erfüllenden Größe. Ein ewiger Frühling, wie in dem glücklichen Elysien, bekleidet die reizende Männlichkeit vollkommener Jahre mit gefälliger Jugend und spielt mit sanften Zärtlichkeiten auf dem stolzen Gebäude seiner Glieder. Gehe mit deinem Geiste in das Reich unkörperlicher Schönheiten und versuche, ein Schöpfer einer himmlischen Natur zu werden, um den Geist mit Schönheiten, die sich über die Natur erheben, zu erfüllen; denn hier ist nichts Sterbliches, noch was die menschliche Dürftigkeit erfordert. Keine Adern noch Sehnen erhitzen und regen diesen Körper, sondern ein himmlischer Geist, der sich wie ein sanfter Strom ergossen, hat gleichsam die ganze Umschreibung dieser Figur erfüllt. Ich vergesse alles andere über dem Anblicke dieses Wunderwerks der Kunst, und ich nehme selbst einen erhabenen Stand an, um mit Würdigkeit anzuschauen.“
Apollo aus Lavaters Physiognomische Fragmente

Lavater:
„Ich habe diesen Kopf des Apollo zweimal nach dem Schatten und hernach vermittelst
des Storchschnabels ins Kleine gezeichnet, und ich glaube dadurch etwas zur Bestätigung
des Winkelmannischen Gefühls beitragen zu können. Man kann sich wirklich an diesem bloßen
Umrisse kaum satt sehen. — Man will was darüber sagen, zittert — und was man sagt, ist unerträglich. Aus allem diesem verworrenen Gedränge kann indessen dieses heraus gehoben werden:
Die Erhabenheit beruht auf der Stirne, auf dem Verhältnis der Stirne zum ganzen Gesicht, auf der Schiefheit der Stirne gegen den Unterteil des Gesichts betrachtet, auf dem Fortgange der Stirn in die Nase, auf dem nicht harten und nicht weichlichen Kinn, das sich so männlich von der Spitze der Nase bis zum Anfang der Oberlippe! Und wie viel edler macht dieser geringe Unterschied den oberen Kopf, als den unteren! Wie wenig beträgts, daß die Oberlippe
und Unterlippe des oberen inwendig runder ist, als des unteren — und dennoch wie viel redender ist bloß durch diesen gering scheinenden Unterschied der obere als der untere? Wie viel platter, fader ist bloß durch diese kleine Verschiedenheit der Mund des unteren, als des oberen! —
Wer dies nicht sieht, dem kann ich nicht helfen! Wessen Geist, nach öfterer
Betrachtung der besten Antiken, nicht in Entzückung gerät; wer nicht in dem Sichtbaren derselben unsichtbare Vollkommenheit fühlt, der lege die Feder weg; ihm hilft die Antike
nicht. Und wer den Unterschied dieses Kopfes gegen andere nicht sieht; in diesem Unterschied keinen Unterschied des Charakters fühlt, der lege mein Buch weg! Meine Erklärung hilft
ihm nichts.“


Carl Huter:
„In Apollo verehrten die alten Griechen den Gott der Schönheit und der schönen Künste.
Inder Tat kann man sichkaum eine höhere Schönheit, als sie im Apollo verkörpert ist, denken.
Edel, ideal schön, froh und heiter, glücklich und gesund schaut diese Göttergestalt in die schöne Welt, um Schönes zu schaffen und Glück zu verbreiten, um die Menschen zu erheben durch eine ideale hoheitsvolle, göttliche Kunst.
Die Göttergestalt des Apollo ist heute noch der Grundpfeiler der idealen Kunst.
Ohne diese ideale Kunst ist das menschliche Gemüt nicht zu erheben zu jenen, alle Naturwahrheit übertreffenden Schönheiten und beseligenden Empfindungen, deren die menschliche Seele bedarf, soll sie nicht Gefahr gehen, zu Versimpeln oder in hartem, oft häßlichem Daseinskampf zu verrohen und ins Niedrige zurück zu versinken.“

Lavater hat sicherlich recht, wenn er auf die Beachtung der Stirn und Nasenbildung wert legt.
Insgesamt liegt der Apollo von Belvedere nach den Erkenntnissen von Carl Huter wohl im Bewegungsnaturell mit starker Tendenz zur Harmonie.
Die alten Griechen entwarfen damit zurecht ein Idealbild von Männlichkeit das meilenweit entfernt liegt von dem heutigen Modejournalschönheiten mit ihren eher niedrigen Stirnen und oftmals über starken Unterkiefer.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen